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GRINSCHGL Wolfgang

Was bedeutet es nun, wenn ein Künstler wie Wolfgang Grinschgl die Physiognomie seines Gesichts aufbricht und verzerrt, sich selbst deformiert und in unheimlichen Mutationen begriffen darstellt? Geht es in diesen Arbeiten nur um die subjektive Darstellung eines Individuums oder auch um eine Abbildung unserer Zeit?
Grinschgl knüpft an das Frontalportrait der Renaissance an, das den Künstler in eine konfrontative Beziehung zum Betrachter setzt, doch ist der Spiegel der Selbstbetrachtung zerbrochen und wirft uns unzählige Versionen und fragmentarische Ansichten des Gesichts entgegen. So wie wir alle im gesellschaftlichen Miteinander verschiedene Masken tragen und unterschiedliche Selbstbilder entwickeln, entwirft Grinschgl nicht nur ein Bild von sich selbst, sondern zahllose.
Zwischen seinem Gesicht und dem Blick des Betrachters führt er allerdings immer eine zusätzliche Schicht ein, eine Membran, die sein Angesicht wahlweise verdeckt oder vor dem unmittelbaren Blick des Betrachters schützt. Aus einer amorphen Farbmasse steigt weiß akzentuiert ein Gesicht als etwas Transitorisches auf, das vom Verschwinden des Subjekts und den Fragmentierungen der Identität kündet.
„Das Gesicht hat eine große Zukunft, aber nur, wenn es zerstört und aufgelöst wird.“ schreiben Gilles Deleuze und Felix Guattari über die Politik des Gesichts. Sie verstehen das Gesicht nicht mehr als natürliche Gegebenheit, sondern als Produkt einer kulturellen Entwicklung und somit als Ausdruck von Machtverhältnissen. Die vielen Gesichter von Wolfgang Grinschgl weisen Formen der Beeinträchtigung, Deformation und Auflösung auf, die im Sinne des offenen Kunstwerks durchaus als Spuren soziopolitischer Machtverhältnissen gelesen werden können.
Die Selbstporträts von Wolfgang Grinschgl sind Protokolle einer Auflösung, einer einsetzenden Auslöschung, in der die malerischen Akzentuierungen der dunklen Gesichtsöffnungen einen letzten Anhaltspunkt, einen letzten Widerstand gegen das Verschwinden darstellen.
Und es wirft uns die Frage entgegen, wie in einer posthumanen Welt eine Darstellung des Menschen überhaupt noch möglich ist.

Roman Grabner, 2015 (Textauszug)

Foto: Wolfgang Grinschgl

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Was bedeutet es nun, wenn ein Künstler wie Wolfgang Grinschgl die Physiognomie seines Gesichts aufbricht und verzerrt, sich selbst deformiert und in unheimlichen Mutationen begriffen darstellt? Geht es in diesen Arbeiten nur um die subjektive Darstellung eines Individuums oder auch um eine Abbildung unserer Zeit?
Grinschgl knüpft an das Frontalportrait der Renaissance an, das den Künstler in eine konfrontative Beziehung zum Betrachter setzt, doch ist der Spiegel der Selbstbetrachtung zerbrochen und wirft uns unzählige Versionen und fragmentarische Ansichten des Gesichts entgegen. So wie wir alle im gesellschaftlichen Miteinander verschiedene Masken tragen und unterschiedliche Selbstbilder entwickeln, entwirft Grinschgl nicht nur ein Bild von sich selbst, sondern zahllose.
Zwischen seinem Gesicht und dem Blick des Betrachters führt er allerdings immer eine zusätzliche Schicht ein, eine Membran, die sein Angesicht wahlweise verdeckt oder vor dem unmittelbaren Blick des Betrachters schützt. Aus einer amorphen Farbmasse steigt weiß akzentuiert ein Gesicht als etwas Transitorisches auf, das vom Verschwinden des Subjekts und den Fragmentierungen der Identität kündet.
„Das Gesicht hat eine große Zukunft, aber nur, wenn es zerstört und aufgelöst wird.“ schreiben Gilles Deleuze und Felix Guattari über die Politik des Gesichts. Sie verstehen das Gesicht nicht mehr als natürliche Gegebenheit, sondern als Produkt einer kulturellen Entwicklung und somit als Ausdruck von Machtverhältnissen. Die vielen Gesichter von Wolfgang Grinschgl weisen Formen der Beeinträchtigung, Deformation und Auflösung auf, die im Sinne des offenen Kunstwerks durchaus als Spuren soziopolitischer Machtverhältnissen gelesen werden können.
Die Selbstporträts von Wolfgang Grinschgl sind Protokolle einer Auflösung, einer einsetzenden Auslöschung, in der die malerischen Akzentuierungen der dunklen Gesichtsöffnungen einen letzten Anhaltspunkt, einen letzten Widerstand gegen das Verschwinden darstellen.
Und es wirft uns die Frage entgegen, wie in einer posthumanen Welt eine Darstellung des Menschen überhaupt noch möglich ist.

Roman Grabner, 2015 (Textauszug)

Werke von GRINSCHGL Wolfgang:

Dreieiniger Stilstand

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