Geboren wurde Werner Reiterer 1964 in Graz. Studiert hat er an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Maximilian Melcher. Seit 1996 zeichnet er sich seine Ausstellungen. Genau 19 Bleistifte unterschiedlicher Härte braucht er dazu. Und Papier im Format 70 x 50 cm. Nicht wenige dieser Ausstellungen haben die Blätter verlassen, haben als Objekte oder Installationen den realen Raum besetzt, die Galerien (Krinzinger Wien; Loevenbruck, Paris; Nicolas Krupp, Basel), das Museum (Kunsthaus Graz, The Contemporary Art MuseumTampa/USA, Österreichische Galerie im Oberen Belvedere Wien), den öffentlichen Platz. Einmal – meist technisch aufwendig – materialisiert, gebärden sie sich fordernd, stehen im Weg, drängen sich ins gewohnte Blickfeld, machen Lärm und fordern Teilhabe: Man möge sich öffentlich äußern, hier und jetzt! Und noch schlimmer die Zumutung, dass Reiteres Szenarien, befolgte der (Zufalls-)Betrachter alle Regeln des Anstands wie des Miteinander, sofort eingreifen müsste – helfend oder zumindest alarmierend.
„Stellen Sie mich wo anders wieder ab!“, fordert etwa ein Koffer – und stört damit den gewohnten Verlauf der Dinge: Zum einen gilt ein Objekt im Ausstellungsbereich stets als „bewusst platziert“, zum anderen birgt ein verwaistes Gepäckstück doch allerhand Risiken. (Nicht umsonst werden verwaiste Objekte im Alltag auf Flughäfen oder Bahnhöfen aus Gründen der sogenannten „inneren“ wie allgemeinen Sicherheit gerne gesprengt.) Darüber hinaus macht der Lockruf des Koffers den dafür anfälligen gemeinen Ausstellungsbesucher nicht bloß zum Akteur, er definiert ihn – sobald die Handgreiflichkeit ihren Lauf genommen hat – selbst zum Objekt, zum Ziel der Betrachtung durch Dritte.
Womit Reiterers Dramaturgie einsetzt: Egal ob anzuschreiender Kasten – der reagiert oder nicht, ob sensorgesteuerter Herd mit Vinyllaufwerk, oder Bombe von der Haptik eines Sandsacks – ist die Hemmschwelle zur Beteiligung einmal überwunden, löst der ansonsten passive Betrachter eine Kette von Reaktionen aus – mit unabsehbaren Folgen. Die (neugierige) Annäherung an Raw Loop etwa bringt die Skulptur weithin hör- und sichtbar zum Atmen, der Crash eines PKW in die Leibnitzer Mariensäule zwingt die wachgerüttelten Passanten zum Handeln, der Zug in der Kölner U-Bahnstation Heumarkt stürzt die Wartenden womöglich in Selbstzweifel: als echter Ghosttrain bleibt er so laut wie unsichtbar. Es war aber windig.
Werner Reiterers Plakate und Zeichnungen deren Umsetzung als Objekt meist möglich, nicht aber unbedingt nötig ist, dienen als Orientierungspunkte in einem Werk, das nicht entwicklungsgeschichtlich zu fassen ist. Er besetzt Orte, er nutzt Gewohnheiten, er fordert Haltung, er schreckt auch vor fahrlässigem Einsatz von Lachgas nicht zurück.
Markus Mittringer
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Geboren wurde Werner Reiterer 1964 in Graz. Studiert hat er an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Maximilian Melcher. Seit 1996 zeichnet er sich seine Ausstellungen. Genau 19 Bleistifte unterschiedlicher Härte braucht er dazu. Und Papier im Format 70 x 50 cm. Nicht wenige dieser Ausstellungen haben die Blätter verlassen, haben als Objekte oder Installationen den realen Raum besetzt, die Galerien (Krinzinger Wien; Loevenbruck, Paris; Nicolas Krupp, Basel), das Museum (Kunsthaus Graz, The Contemporary Art MuseumTampa/USA, Österreichische Galerie im Oberen Belvedere Wien), den öffentlichen Platz. Einmal – meist technisch aufwendig – materialisiert, gebärden sie sich fordernd, stehen im Weg, drängen sich ins gewohnte Blickfeld, machen Lärm und fordern Teilhabe: Man möge sich öffentlich äußern, hier und jetzt! Und noch schlimmer die Zumutung, dass Reiteres Szenarien, befolgte der (Zufalls-)Betrachter alle Regeln des Anstands wie des Miteinander, sofort eingreifen müsste – helfend oder zumindest alarmierend.
„Stellen Sie mich wo anders wieder ab!“, fordert etwa ein Koffer – und stört damit den gewohnten Verlauf der Dinge: Zum einen gilt ein Objekt im Ausstellungsbereich stets als „bewusst platziert“, zum anderen birgt ein verwaistes Gepäckstück doch allerhand Risiken. (Nicht umsonst werden verwaiste Objekte im Alltag auf Flughäfen oder Bahnhöfen aus Gründen der sogenannten „inneren“ wie allgemeinen Sicherheit gerne gesprengt.) Darüber hinaus macht der Lockruf des Koffers den dafür anfälligen gemeinen Ausstellungsbesucher nicht bloß zum Akteur, er definiert ihn – sobald die Handgreiflichkeit ihren Lauf genommen hat – selbst zum Objekt, zum Ziel der Betrachtung durch Dritte.
Womit Reiterers Dramaturgie einsetzt: Egal ob anzuschreiender Kasten – der reagiert oder nicht, ob sensorgesteuerter Herd mit Vinyllaufwerk, oder Bombe von der Haptik eines Sandsacks – ist die Hemmschwelle zur Beteiligung einmal überwunden, löst der ansonsten passive Betrachter eine Kette von Reaktionen aus – mit unabsehbaren Folgen. Die (neugierige) Annäherung an Raw Loop etwa bringt die Skulptur weithin hör- und sichtbar zum Atmen, der Crash eines PKW in die Leibnitzer Mariensäule zwingt die wachgerüttelten Passanten zum Handeln, der Zug in der Kölner U-Bahnstation Heumarkt stürzt die Wartenden womöglich in Selbstzweifel: als echter Ghosttrain bleibt er so laut wie unsichtbar. Es war aber windig.
Werner Reiterers Plakate und Zeichnungen deren Umsetzung als Objekt meist möglich, nicht aber unbedingt nötig ist, dienen als Orientierungspunkte in einem Werk, das nicht entwicklungsgeschichtlich zu fassen ist. Er besetzt Orte, er nutzt Gewohnheiten, er fordert Haltung, er schreckt auch vor fahrlässigem Einsatz von Lachgas nicht zurück.
Markus Mittringer