„Ich nehme euch die heiligen Schreine weg“
….Alles begann vor rund 40 Jahren mit der Faszination für Paul Klee. Oder noch früher: Vor fast 60 Jahren – damit, dass der Zweijährige im Wald verloren ging, zwei Tage lang wurde, das ganze Dorf im Aufruhr, nach ihm gesucht. Und man fand ihn, Erdkrümel und Kleeblatt essend, wieder. Das klingt romantisch und nach einer Geschichte. Seine Kindheit war geprägt von praller Naturerfahrung, aber ebenso vom Dunst einer Religionspraxis, die sich überallhin abgelegt hatte. ….Volksreligiosität, deren Anteile unhinterfragte Alltagsriten waren, war ein konstituierender Bestandteil dieser intensiven Wahrnehmung. Zahlreiche Wegzeichen, Schreine, Kreuze waren in jenem Landstrich, wo Neuhold aufgewachsen war, selbstverständlich.
Doch Neuhold war in der Erschaffung seiner Schreine unbeirrbar, sie wurden dichter und dichter. Sein entwickeltes Credo dabei: Ein Bild hat eine Kraft und ist nicht bloß auf der Ebene seiner Medialität zu verhandeln. Es ist nicht einfach Trägermedium, sondern in ihm ist jene Welt verdichtet, die durch seine Bildbannung den Status des Heiligen erhält. Die Erinnerung an das Kultische im sakralen Bild kommt nicht einer Profanierung gleich, sondern für Neuhold ist es umgekehrt: „[…] ich habe diese Schreine allen Menschen zurückgegeben, und ich habe das scheinbar so Weltliche in meinen Schreinen GEHEILIGT. Ich habe der Institution Kirche das Monopolrecht auf das Heilige genommen und es allen Menschen zurückgegeben! Es stimmt, dies geschah spielerisch-poetisch – darin liegt auch das ‚Revolutionäre’ - mit vielen Unter- und Zwischentönen (siehe Bildtiteln!). Ich sehe meine scheinbar so harmlosen ‚spielerischen’ Arbeiten ziemlich subversiv, ketzerisch und mit ziemlicher ‚Sprengkraft’ aber zutiefst ‚fromm’“. Scheinbar Liebliches kratzt in Wirklichkeit radikal an Konventionen, ob in gesellschaftlicher oder auch kirchlicher Ausprägung. Mehr noch wollen diese Arbeiten aber Fenster öffnen in eine andere Welt. Das Vegetabile ist dabei nur ein Bildmittel, stärkste Mauern und unverrückbare Klötze zu überwuchern – mit der Kraft der Schöpfung, zärtlicher Poesie und gewaltloser „Samenkorn-Kraft“. Biblische Sprache im Klang der Weisheitsliteratur und der Bergpredigt, das durchtränkte Gewebe christlicher Fleischwerdung sind wesentliche Muster von Neuholds Bildfindungen – nicht zuletzt um eine Welt zu eröffnen, „die weniger Beton und mehr Leib mit Haut und Haaren, die lebenswerter, zärtlicher, farbiger und vor allem lebendiger ist“. Man kann dies an einzelnen Bildschreinen mit seinen im Zuge einer Ausstellung erst gegebenen Bildtiteln studieren. Mitunter hat Alois Neuhold diese nicht zu bändigende Bildauffassung aber auch in Texte gegossen, wie im Manifest: „Adwänd, Adwänd, die Hirschkuh brennt“ (1986)
Johannes Rauchenberger, 2012 (Textauszug)
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„Ich nehme euch die heiligen Schreine weg“
….Alles begann vor rund 40 Jahren mit der Faszination für Paul Klee. Oder noch früher: Vor fast 60 Jahren – damit, dass der Zweijährige im Wald verloren ging, zwei Tage lang wurde, das ganze Dorf im Aufruhr, nach ihm gesucht. Und man fand ihn, Erdkrümel und Kleeblatt essend, wieder. Das klingt romantisch und nach einer Geschichte. Seine Kindheit war geprägt von praller Naturerfahrung, aber ebenso vom Dunst einer Religionspraxis, die sich überallhin abgelegt hatte. ….Volksreligiosität, deren Anteile unhinterfragte Alltagsriten waren, war ein konstituierender Bestandteil dieser intensiven Wahrnehmung. Zahlreiche Wegzeichen, Schreine, Kreuze waren in jenem Landstrich, wo Neuhold aufgewachsen war, selbstverständlich.
Doch Neuhold war in der Erschaffung seiner Schreine unbeirrbar, sie wurden dichter und dichter. Sein entwickeltes Credo dabei: Ein Bild hat eine Kraft und ist nicht bloß auf der Ebene seiner Medialität zu verhandeln. Es ist nicht einfach Trägermedium, sondern in ihm ist jene Welt verdichtet, die durch seine Bildbannung den Status des Heiligen erhält. Die Erinnerung an das Kultische im sakralen Bild kommt nicht einer Profanierung gleich, sondern für Neuhold ist es umgekehrt: „[…] ich habe diese Schreine allen Menschen zurückgegeben, und ich habe das scheinbar so Weltliche in meinen Schreinen GEHEILIGT. Ich habe der Institution Kirche das Monopolrecht auf das Heilige genommen und es allen Menschen zurückgegeben! Es stimmt, dies geschah spielerisch-poetisch – darin liegt auch das ‚Revolutionäre’ - mit vielen Unter- und Zwischentönen (siehe Bildtiteln!). Ich sehe meine scheinbar so harmlosen ‚spielerischen’ Arbeiten ziemlich subversiv, ketzerisch und mit ziemlicher ‚Sprengkraft’ aber zutiefst ‚fromm’“. Scheinbar Liebliches kratzt in Wirklichkeit radikal an Konventionen, ob in gesellschaftlicher oder auch kirchlicher Ausprägung. Mehr noch wollen diese Arbeiten aber Fenster öffnen in eine andere Welt. Das Vegetabile ist dabei nur ein Bildmittel, stärkste Mauern und unverrückbare Klötze zu überwuchern – mit der Kraft der Schöpfung, zärtlicher Poesie und gewaltloser „Samenkorn-Kraft“. Biblische Sprache im Klang der Weisheitsliteratur und der Bergpredigt, das durchtränkte Gewebe christlicher Fleischwerdung sind wesentliche Muster von Neuholds Bildfindungen – nicht zuletzt um eine Welt zu eröffnen, „die weniger Beton und mehr Leib mit Haut und Haaren, die lebenswerter, zärtlicher, farbiger und vor allem lebendiger ist“. Man kann dies an einzelnen Bildschreinen mit seinen im Zuge einer Ausstellung erst gegebenen Bildtiteln studieren. Mitunter hat Alois Neuhold diese nicht zu bändigende Bildauffassung aber auch in Texte gegossen, wie im Manifest: „Adwänd, Adwänd, die Hirschkuh brennt“ (1986)
Johannes Rauchenberger, 2012 (Textauszug)
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