Als ob - Das überzeugend Ähnliche
Die „Paparazzi“-Serie des Künstlerkollektivs G.R.A.M. spielt mit den Phänomenen des „Als ob“ und agiert in der Sphäre des überzeugend Ähnlichen. Die Fotos weisen die Bildsprache von erhaschten, klandestinen Bildern auf, aus Überwachungskameras oder unscharf aus der Hand fotografiert; die Ästhetik der „gestohlenen“ Bilder verdankt sich allerdings einem medialen Konstrukt. Der Bildinhalt suggeriert ein Motiv aus der „Yellow press“, Sensationsreporter jagen einen Filmstar, lauern einer Berühmtheit im Jachthafen, am Supermarktparkplatz, vor der Hauseinfahrt auf - bekanntlich Fotos ohne die Einwilligung der Fotografierten, geschossen in einem privaten Ambiente, Momente der Intimität bloßlegend. Die G.R.A.M.-Fotos agieren so, als handle es sich um einen visuellen Übergriff: die gestellte Situation beweist sich in ihrer überzeugenden visuellen Ähnlichkeit zu möglichen realen Bildern, sie spricht mit der Sprache der potenziellen Authentizität. Das Bild wird als das erkannt, was es zu sein vorgibt: ein Beutezug, ein Trophäenbild: als ob.
Das Andere - Differenz und Distanz
Indem G.R.A.M. Parlamentsabgeordnete bei ihren Schreiduellen und Handgreiflichkeiten nachzeichnen, sorgen sie für die Differenz zum eigentlichen Geschehen; sie decouvrieren das Ridiküle und Aberwitzige an einer Situation, die – befreit von den Emotionen der ursprünglich Handelnden – zu einem Ballett der Absurditäten wird. Sie selbst agieren nicht wie Schauspieler, die in die Rollen von darzustellenden Personen schlüpfen, sind also keine Interpreten oder Vortragskünstler, sondern sie erstellen ein neues, anderes Konzept.
Die Freuden der Aneignung
Es ist den „Krisenköpfen“ oder Politikerporträts, den Szenen mit Wirtschaftskapitänen und aus der Kunstszene von G.R.A.M. anzumerken, mit welcher Freude an der Aneignung die Motive gewählt und bearbeitet werden. Die Ironie und das decouvrierende Moment, in der Geste des Nachstellens den Ernst und die hehre Bedeutsamkeit des ursprünglichen Bildmaterials aufzulösen, machen diese Arbeiten zu komödiantischen Raritäten. Dazu kommen die zeilenlangen Bildtitel, die dem ursprünglichen Bildkontext der Printmedien entnommen, sich hier wie altertümliche Erklärungsmodelle ausnehmen: wieviel Erklärung braucht ein Bild, um als das wahrgenommen zu werden, was es – bei G.R.A.M. eben nicht – ist? Der Realität der Ereignisse folgt die Spiegelung im visuellen Oeuvre von G.R.A.M.; die Bilder sind eindeutig zuordenbar und mit Wiedererkennungswert, sie sind lesbar und mit Erläuterungen versehen - und doch sind sie Bilder der Andersheit, einer Realität zugehörig, die „so fantastisch und unwirklich“ ist, wie das Weltkonstrukt von Herzmanovsky-Orlando, in dem sich Einbildung und Erkennen, Nachstellen und Paraphrasieren, Decouvrieren und Neuschöpfen kongenial verknüpfen.
Margit Zuckriegl (Textauszug)
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Als ob - Das überzeugend Ähnliche
Die „Paparazzi“-Serie des Künstlerkollektivs G.R.A.M. spielt mit den Phänomenen des „Als ob“ und agiert in der Sphäre des überzeugend Ähnlichen. Die Fotos weisen die Bildsprache von erhaschten, klandestinen Bildern auf, aus Überwachungskameras oder unscharf aus der Hand fotografiert; die Ästhetik der „gestohlenen“ Bilder verdankt sich allerdings einem medialen Konstrukt. Der Bildinhalt suggeriert ein Motiv aus der „Yellow press“, Sensationsreporter jagen einen Filmstar, lauern einer Berühmtheit im Jachthafen, am Supermarktparkplatz, vor der Hauseinfahrt auf - bekanntlich Fotos ohne die Einwilligung der Fotografierten, geschossen in einem privaten Ambiente, Momente der Intimität bloßlegend. Die G.R.A.M.-Fotos agieren so, als handle es sich um einen visuellen Übergriff: die gestellte Situation beweist sich in ihrer überzeugenden visuellen Ähnlichkeit zu möglichen realen Bildern, sie spricht mit der Sprache der potenziellen Authentizität. Das Bild wird als das erkannt, was es zu sein vorgibt: ein Beutezug, ein Trophäenbild: als ob.
Das Andere - Differenz und Distanz
Indem G.R.A.M. Parlamentsabgeordnete bei ihren Schreiduellen und Handgreiflichkeiten nachzeichnen, sorgen sie für die Differenz zum eigentlichen Geschehen; sie decouvrieren das Ridiküle und Aberwitzige an einer Situation, die – befreit von den Emotionen der ursprünglich Handelnden – zu einem Ballett der Absurditäten wird. Sie selbst agieren nicht wie Schauspieler, die in die Rollen von darzustellenden Personen schlüpfen, sind also keine Interpreten oder Vortragskünstler, sondern sie erstellen ein neues, anderes Konzept.
Die Freuden der Aneignung
Es ist den „Krisenköpfen“ oder Politikerporträts, den Szenen mit Wirtschaftskapitänen und aus der Kunstszene von G.R.A.M. anzumerken, mit welcher Freude an der Aneignung die Motive gewählt und bearbeitet werden. Die Ironie und das decouvrierende Moment, in der Geste des Nachstellens den Ernst und die hehre Bedeutsamkeit des ursprünglichen Bildmaterials aufzulösen, machen diese Arbeiten zu komödiantischen Raritäten. Dazu kommen die zeilenlangen Bildtitel, die dem ursprünglichen Bildkontext der Printmedien entnommen, sich hier wie altertümliche Erklärungsmodelle ausnehmen: wieviel Erklärung braucht ein Bild, um als das wahrgenommen zu werden, was es – bei G.R.A.M. eben nicht – ist? Der Realität der Ereignisse folgt die Spiegelung im visuellen Oeuvre von G.R.A.M.; die Bilder sind eindeutig zuordenbar und mit Wiedererkennungswert, sie sind lesbar und mit Erläuterungen versehen - und doch sind sie Bilder der Andersheit, einer Realität zugehörig, die „so fantastisch und unwirklich“ ist, wie das Weltkonstrukt von Herzmanovsky-Orlando, in dem sich Einbildung und Erkennen, Nachstellen und Paraphrasieren, Decouvrieren und Neuschöpfen kongenial verknüpfen.
Margit Zuckriegl (Textauszug)